Thema I. Entstehen und Entwicklung der deutschen Sprache.
Plan
1. Gegenstand der deutschen Sprachgeschichte.
2. Die deutsche Gegenwartssprache, ihre Existenzformen und die nationalen
Varianten der deutschen Sprache.
3. Verwandtschaftsbeziehungen der deutschen Sprache.
4. Periodisierung der deutschen Sprachgeschichte.
5. Vorgeschichte der deutschen Sprache.
6. Das Werden der deutschen Sprache. Das Wort " deutsch ".
7. Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch, Frühhochdeutsch, Neuhochdeutsch.
1. Gegenstand der deutschen Sprachgeschichte.
Diese theoretische Disziplin muß die Studenten mit den Anfängen der
deutschen Sprache vertraut machen. Die Aufgabe dieses Lehrgangs besteht in
folgendem :
1) sprachliche Prozesse zu erklären, die die deutsche Sprache zu dem
heutigen Zustand gebracht haben;
2) den systematischen Charakter der historischen Wandlungen in der Sprache
und den
Charakter der Zusammenhänge zwischen den Veränderungen im phonetischen und
grammatischen Sprachbau aufzudecken;
3) sprachliche Erscheinungen zu erklären, die heute Überreste der
ehemaligen Perioden der Sprachgeschichte sind;
4) die Beziehungen zwischen der Geschichte der deutschen Sprache und der
Geschichte
der deutschsprachigen Gesellschaft zu verfolgen.
Für diesen theoretischen Lehrgang sind 32 Stunden vorgesehen:
16 Stunden für die Vorlesungen und
16 Stunden für die Seminare.
Der Lehrgang schließt sich mit einer Prüfung ab.
2. Die deutsche Gegenwartssprache , ihre Existenzformen und die nationalen
Varianten der deutschen Sprache.
Die deutsche Sprache ist Staatssprache in Deutschland , Österreich und
Liechtenstein und ist eine der vier offiziellen Sprachen in der Schweiz und
eine der Sprachen in Luxemburg. Die Zahl der Deutschsprechenden beträgt in diesen Ländern über 110
Millionen Menschen. Die deutsche Gegenwartssprache hat einige historisch bedingte
Existenzformen :
1) die gemeindeutsche nationale Literatursprache,
2) deutsche Territorialdialekte ( Lokalmundarten ),
3) städtische Halbmundarten und Umgangssprache. Die wichtigste Existenzform der deutschen Gegenwartssprache ist die
deutsche nationale Literatursprache ( Hochdeutsch, Hochsprache ). Sie ist
in den deutschsprachigen Staaten die Sprache der schönen Literatur und
Kultur , der Wissenschaft , der Presse, des Rundfunks und des Fernsehens ,
die Amtssprache und Schulsprache, die Sprache des öffentlichen Verkehrs und
auch die gepflegte Sprache des privaten Umgamgs ( die literatursprachliche
Alltagssprache ). In den deutschsprachigen Ländern weist die deutsche Literatursprache
gewisse Eigenheiten im Wortschatz , in der Aussprache , in Wort - und
Formenbildung auf.
- 1 -
Man unterscheidet nationale Varianten der deutschen Literatursprache
Deutschlands , Österreichs und der Schweiz. So sagt man in Österreich
Jänner für Januar, Kleider -kasten für Kleiderschrank. In der Schweiz heißt
es Rundspruch für Rundfunk, anläuten für anrufen u. a. m. ( s. Mo. S.24 ) Deutsche Territorialdialekte sind die älteste Existenzform der deutschen
Sprache. Sie haben sich im mittelalterlichen Deutschland gebildet. Heute
sind sie in schnellem Rückgang begriffen. Man teilt die deutschen
Territorialdialekte in Niederdeutsch ( Platt- deutsch ) und Hochdeutsch
ein , Hochdeutsch gliedert sich in Mitteldeutsch und Ober-deutsch unter. (
Karte der deutschen Dialekte ).
Dialekt oder reine Mundart wird heutzutage nur von den ältesten Leuten in
Dörfern und
gebirgigen Gegenden gesprochen. Also hat der Terminus " Hochdeutsch " zwei Bedeutungen : 1) hochdeutsche Dialekte ( Mitteldeutsch und Oberdeutsch ) 2) Hochsprache zum Unterschied von den Mundarten und von der
Umgangssprache. Städtische Halbmundarten und Umgangssprache stehen zwischen
der Literatursprache
und Lokalmundarten ( Territorialdialekten ). Sie sind eine weit verbreitete
Sprachform. Die städtischen Halbmundarten bilden sich in der
frühbürgerlichen Zeit mit dem Aufkom men und mit dem Wachstum der Städte
durch Sprachmischung und Sprachausgleich heraus. Sie haben die primären
Merkmale der Mundarten eingebüßt (beseitigt ) und nur die sekundären, die
weniger auffälligen Besonderheiten der heimischen Mundarten beibehalten,
z.B. im Berlinischen heißt es " Jans " für " Gans ", oder " Kopp " für "
Kopf ".
Heutzutage sind großlandschaftliche Umgangssprachen bzw.
Ausgleichssprachen
( z.B. Obersächsisch, Berlinisch, Pfälzisch, Bairisch, Schwäbisch,
Württembergisch u.a.m. ) die Hauptarten der Umgangssprache nicht nur in den
städtischen und Industrie- gebieten, sondern auch auf dem Lande. Sie
existieren parallel zur literatursprachlichen Alltagsrede und unterscheiden
sich von ihr durch größere oder geringere landschaftliche Färbung.
3. Verwandschaftsbeziehungen der deutschen Sprache.
Die deutsche Sprache gehört zum germanischen Sprachzweig der
indoeuropäischen Sprachfamilie.
Die Verwandtschaft der germanischen Sprachen beruht auf gemeinsamer
Abstammung von den Stammesdialekten der alten Germanen. Sie lebten um die
Mitte des I. Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung rund um die westliche
Ostsee, zwischen der Oder und der Elbe, in Jütland und in Skandinavien und
waren in einige große Stammesverbände zusammengeschlossen. Mit dem Wachstum
der Stämme vollzog sich ihre Aufspaltung und das brachte noch vor Beginn
unserer Zeitrechnung die sprachliche Aufspaltung herbei. Aus den
germanischen Stammesdialekten bildeten sich später mehrere germanische
Sprachen.
Man gliedert die altgermanischen Sprachen in drei Gruppen :
1) nordgermanische ( oder skandinavische ) Sprachen, ( Altschwedisch,
Altnorwegisch,
Altisländisch );
2) westgermanische Sprachen ( Altenglisch, Althochdeutsch,
Altniederländisch, Alt-
friesisch );
3) ostgermanisch ( Gotisch als Sprache bestand zum 7. Jahrhundert ).
Heutzutage unterscheidet man zwei Gruppen von germanischen Sprachen :
nordgermanische ( skandinavische ) Sprachen :
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1. Schwedisch
2. Dänisch
3. Norwegisch
4. Isländisch
5. Färöisch ( die Sprache der Färöer, wird auf den Färöen - Inselgruppe im
Nordatlantik
- gesprochen )
westgermanische Sprachen :
1. Deutsch
2. Englisch
3. Niederländisch
4. Friesisch ( in den Niederlanden , Niedersachsen in der BRD, auf den
Friesischen
Inseln )
5. Afrikaans ( eine der Staatssprachen der Republik Südafrika, neben
Englisch )
Die Verwandschaft der germanischen Sprachen kann man auch heute trotz
jahrhun-derte langer eigenständiger Entwicklung feststellen. Sie kommt :
a) im gemeingermanischen Wortschatz, b) in der Morphologie, c) in der
Wortbildung zum Ausdruck.
a) Der gemeingermanische Wortschatz, z.B. : d. Vater Wort bringen e. father word bring nl. vader woord brengen schw. fader ord bringa
b) Der Ablaut der starken Verben, z.B. : d. trinken - trank - getrunken e. drink - drank - drunk nl. drinken - dronk - gedronken schw. dricka - drack - drucken
c) Wortbildunssuffixe : d. - schaft - Freundschaft e. - ship - friendship nl. - schaß - vriendschaß schw. - skaß - vänskap
4. Periodisierung der deutschen Sprachgeschichte.
Die Geschichte der deutschen Sprache läßt sich in einige Perioden
gliedern. Kriterien dafür sind : a) Wandel des Sprachkörpers, d.h. Wandlungen im phonologischen System,
in Formenbestand, Wortbildung und Wortschatz, die sich im Laufe von
Jahrhunderten all-mählich anhäufen und beträchtliche Veränderungen in der
Sprache hervorrufen. b) Wandel der Existenzformen der Sprache : ob die Sprache nur in
gesprochener Form existiert oder auch ein Schrifttum besitzt, ob sie nur in
Form von Mundarten lebt oder auch übermundartliche Existenzformen hat.
Die ältesten deutschen Schriftdenkmäler stammen aus dem VIII. Jh. Die
Geschichte der deutschen Sprache wird also seit dem Beginn der sprachlichen
Überlieferung bis zur Gegenwart in folgende Perioden gegliedert :
Althochdeutsch (Ahd ) - von 750 bis um 1050;
Mittelhochdeutsch ( Mhd ) - von etwa 1050 bis um 1350 ;
Frühneuhochdeutsch ( Fnhd ) - von etwa 1350 bis um 1650 ;
Neuhochdeutsch ( Nhd ) - von etwa 1650 bis zur Gegenwart.
- 3 -
Thema II. Vorgeschichte der deutschen Sprache
Plan 1. Die alten Germanen und ihre Sprachen.
2. Urgermanisch.
3. Urgermanische phonologische Neuerungen. Die Akzentverschiebung.
Die erste ( I ) germanische Lautverschiebung
Das Vernersche Gesetz
Der traditionelle grammatische Konsonantenwechsel
1. Die deutsche Nationalität ist aus den westgermanischen Großstämmen im
frühen Mittelalter hervorgegangen . Deshalb müssen wir zuerst über die
alten Germanen und
ihre Sprache sprechen. Die Germanen sind aus einer Gruppe von urindoeuropäischen Sippen und
Stämmen entstanden. Die Entwicklung des germanischen Volkstums mag im
dritten Jahrhundert v.u.Z. begonnen haben. Um diese Zeit lebten die
Germanen in Südskandinavien, an der Ostseeküste, auf der Halbinsel Jütland
und im Raum der Elbmündung. Hier hat sich im Laufe der jahrtausendelangen
Sonderentwicklung, vermutlich zwischen 3000 - 1000
v.u.Z. ein besonderer Sprachtyp, die germanische Grundsprache oder das
sogenannte Urgermanisch herausgebildet. Die alten Germanen waren ein Hirten- und Jägervolk. Sie brauchten neue
Gebiete für ihre Viehzucht und so wanderten sie im ersten Jahrhundert
v.u.Z. bis an den Rhein und an die untere Donau. In dieser Zeit kamen die
barbarischen Stämme der Germanen in Berührung mit der antiken Welt. Es kam
auch zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Germanen und Römern. Aus dieser Zeit stammen die ersten schriftlichen Überlieferungen über die
germanischen Stämme des Altertums. Sie finden sich in den Werken
griechischer und römischer Schriftsteller aus der Zeit zwischen dem IV. Jh.
v.u.Z. ( der griechische Geograph und Astronom Pytheas aus Massilia ) und
dem I.-II Jh. u.Z. ( das berühmte Werk des römischen Geschichtsschreibers
Tacitus " Germania ", die Weltgeographie des Ptolomäus ). Seht
aufschlußreich ist das Werk des römischen Feldherrn Gaius Julius Cäsar (
100 - 44 v.u.Z. ) " Gallischer Krieg " ( 52 v.u.Z. ). Aus dem ausführlichen Bericht Cäsars erfahren wir, daß die Germanen im I.
Jh. v.u.Z. noch unter den Verhältnissen einer festgefügten
Gentilgesellschaft lebten, einer patriarchalichen Sippe. Die Sippen
schlossen sich in zahlreiche größere Stämme zusam-
men. Sie hießen Gimbern, Teutonen, Herusker, Batawer, Brukterer, Hatuarii
u.a.m. An der Spitze der Sippe stand der Sippenvorsteher ( germ. kuning -
König ). Aus den Sip-
penvorstehern bildete sich der Stammesrat. Für Kriegszüge und Kriegsfürung
wurden außerdem Heeresführer ( germ. herizogo ) gewählt. Um das Jahr 100 u.Z. lebten die Germanen in folgenden Siedlungsgebieten : - in Skandinavien ( dort lebten die Nordgermanen oder die Skandinavier ) - an der Ostseeküste und an der unteren Wisla ( die Goten, die Burgunden,
die Wanda- len, d.h. die Ostgermanen. - zwischen der Elbe und dem Rhein ( Ingwäonen, Istwäonen, Herminonen, d.h.
West- germanen ).
Dementsprechend unterscheidet man drei Gruppen der altgermanischen
Sprachen : nordgermanische oder skandinawische Sprachen ostgermanische Sprachen ( Gotisch ) westgermanische Sprachen
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In den ersten fünf Jahrhunderten u.Z. wanderten die Germanen in die
neuen Wohngebiete zwischen Donau, Rhein und Nordmeer, später in Südeuropa
und Nordafrika ein. Diese Zeit ist als Zeit" großer Völkerwanderung "
bekannt. F. Engels hat sie in seinem Werk " Zur Urgeschichte der Deutschen
" ausführlich geschildert.
2. Wie schon gesagt, wird die Sprache der alten Germanen als Urgermanisch
bezeichnet.
Das Urgermanische war eine mehr oder weniger einheitliche Sprache oder
vielmehr ein Kontinuum von engverwandten Dialekten. Diese Dialekte waren
schriftlos. Vom Sprachkörper des Urgermanischen besitzen wir keine Zeugnisse. Doch
können die wichtigsten Charakterzüge des Urgermanischen rekonstruiert
werden, z.B. der Wortschatz. Verwandtschaftsnamen :
d. Mutter - ahd. muoter, as. modar, ae. moder - russ. ìàòü, ìàòåðè, lat.
mater, griech. meter.
d. Vater - ahd. fater, got., as. fadar, ae. f dar - lat. pater, griech.
pater, ai. pitar.
3. Das Urgermanische besaß bestimmte Neuerungen im Wortschatz, in der
Formenbildung und im phonologischen System. Zu den wichtigsten Neuerungen
im phonologischen System des Urgermanischen gehören die Akzentverschiebung
und die
I. germanische Lautverschiebung.
1) Die erste oder germanische Lautverschiebung ( das Grimmsche Gesetz ) ist
ein durchgreifender Wandel im Konsonantensystem, der sich im Urgermanischen
vermutlich im Zeitraum von 2000 bis 1000 v.u.Z. vollzogen hat. Diese
phonetische Erscheinung wurde 1882 von dem deutschen Wissenschaftler Jakob
Grimm erforscht. Unter dem Terminus " Verschiebung " verstand J. Grimm die
teilweise Veränderung der Artikulationsstelle der indoeuropäischen
stimmlosen und stimmhaften Konsonanten (Explosivlaute ). Man unterscheidet
drei Akte in der I. germanischen Lautverschiebung : - 1. Die i/e stimmlosen Explosivlaute p, t, k wurden im Urgermanischen zu
stimmlosen Frikativlauten f, p, h; z.B. sanskr. = ai. pitar, griech. pater, lat. pater - got. fadar,ae. father,
ahd. fater. griech. treis, lat. tres, ðóññ.òðè -got. preis, as. thria, ae. three. griech. kardia, lat. cor - got. hairto, as. herta, ahd. herza. - 2. Die i/e stimmhaften Explosivlaute b, d, g wurden im Urgermanischen zu
stimmlosen p, t, k, z.B. ðóññ. ÿáëîêî -engl. apple; ðóññ.ñëàáûé -nieddt. slap. lat. duo, ðóññ. äâà- got. twai, e. two lat. jugum, ðóññ. èãî - got. juk, aisl. ok "Joch " - 3. Die i/e stimmhaften behauchten Explosivlaute bh, dh, gh wurden im
Urgermanischen zu stimmlosen unbehauchten Frikativlauten ( b, d, g.) oder
zu stimmhaften unbehauchten Explosivlauten b, d, g, dh. bh> b> b, dh> d> d,
gh>g> g z. B. : sanskrit= ai. bhratar, ðóññ. áðàò - got. bropar, as. brothar, e.
brother, ahd. bruodar ai. rudhiras, tschech. rudy ( rot) , ðóññ. ðóäîé, ðûæèé - got. raups,
Aber die i/e stimmlosen Explosivlaute p, t, k wurden zu stimmlosen f,
p, h, nur wenn
der Wortakzent unmittelbar auf dem Vokal vor diesen Explosivlauten lag,
also :
- f, - p, - h. In allen anderen Fällen wurden sie stimmhaft , also :
- 5 -
f, p, h > b, d, g, später b, d, g in : - - b, b - >b, - - d - > d; - - g, g
- >g
Diese Gesetzmäßigkeit formulierte 1877 der dänische Gelehrte Karl Werner
und sie wird das Vernersche Gesetz genannt. z.B. ðóññ. ñâ¸êîð - ahd. swehur aber ñâåêðîâü ahd. swigar.
So kann Karl Verner zu der Schlußfolgerung, daß während der I.
Lautverschiebung der Wortakzent im Urgermanischen noch frei wie im
Indoeuropäischen war. Derselbe akzentbedingte Wandel betraf das urgermanische S , das zum
stimmhaften
[ Z ] wurde, wenn nicht der unmittelbar vorausgehende Vokal den Akzent
trug, also - s,
aber - - z, - z -.
Später wurde z zu r. Diesen Wandel nennt man den Rhotazismus ( vom griech.
ro = r ),
und so wechseln s und r, z.B. ahd. wesan - was - warum ñð. Àíäðåé - Àíäæåé nhd ( wesen) - war - waren Àíðè - Àíæåé
3) Der grammatische Wechsel. Da der Akzent im Indoeuropäischen und im
frühesten rgermanisch = frei, beweglich war, lag er ( der Wortakzent ) bald
auf dem Wur-zelmorphem, bald auf dem Flexionsmorphem bzw. auf dem affixalen
Morphem. Deshalb wirkte das Vernersche Gesetz nur auf einen Teil der
Wortformen bzw. der Wörter einer Wortfamilie. Dadurch entstand der sog.
grammatische ( Konsonanten )-Wechsel, d.h. der Wechsel stimmloser und
stimmhafter Frikativlaute f, p, h, s / b, d, g, z. Dieser Wechsel blieb auch in den germanischen Einzelsprachen nach der
Festlegung des Akzents auf der ersten (Wurzel)silbe erhalten. So hat z.B.
das Deutsche den grammatischen Wechsel : f / b > : die Hefe - heben ahd. hefe - heffen - huob - um - gehoben darben - bedürfen p > d > d / d > t : schneiden - schnitt - geschnitten der Schneider - der Schnitter h / g > g : ziehen - zog - gezogen s / z > r : war - gewesen; verlieren - der Verlust, frieren - der Frost.
4) Die Akzentverschiebung . Eine wichtige Neuerung des Urgermanischen war
auch der Wandel der Akzentverhältnisse. Das Indoeuropäische hatte einen
freien, beweglichen Akzent. Daß auch das älteste Urgermanisch einen freien
Akzent haben mußte, geht aus dem Vernerschen Gesetz hervor. Doch vermutlich
noch während des Ablaufs der germanischen Lautverschiebung hat sich im
Urgermanischen der Übergang zur Anfangsbetonung vollzogen, die alle
altgermanische Sprachen aufweisen ( haben ). Die Festlegung des Akzents auf die erste ( Wurzel -)silbe des Wortes
hatte weitgehende Folgen für die weitere Entwicklung des phonologischen
Systems und der morphologischen Struktur der germanischen Einzelsprachen.
Die Festlegung des Akzents auf die erste Silbe führte im Deutschen : - zu der Abschwächung der verschiedenen unbetonten Vokale zu [ 8 ] - zu der Reduzierung der Silbenanzahl in der Wortstruktur, zu der
Vereinfachung der
Kasusflexionen der Substantive und der Personalendungen der Verben.
- 6 -
- und als Folge dessen entstand später im Deutschen die obligatorische
Zweigliedrig -keit im Satz ( Subjekt - Prädikat ). z.B.: Beispiele für die Abschwächung der unbetonten Vokale
ahd. machota > mhd. machete - nhd. machte herizogo > herzoge - Herzog menisco > mensche - Mensch diutisc > diutsch - deutsch sconi > schöne - schön
1. gibu - ich gebe
2. gibis - du gibst
3. gibit - er gibt
1. gebames - wir geben
2. gebet - ihr gebt
3. gebaut - sie geben
Thema III. Das Werden der deutschen Sprache.
Plan
1. Die Herausbildung der deutschen Nationalität.
2. Das Wort " deutsch ".
1. Die deutsche Nationalität ist aus den westgermanischen Großstämmen der
Franken, Bayern, Alemannen, Thüringer und Sachsen in der Zeit vom V-VI Jh.
bis zur Mitte des XI. Jahrhunderts hervorgegangen. Eine führende Rolle bei
der Herausbildung der deutschen Nationalität spielten auf der Anfangsstufe
dieses Prozesses die Franken. Nach der Eroberung der römschen Provinz
Gallien gründeten die Franken 486 das Frankenreich, das die fränkischen
Territorien östlich des Rheins und das neueroberte Gallien vereinigte. Hier
beginnt die intensive Enwicklung der feudalen Gesellschaft. 496 nehmen der
fränkische König Chlodwig und der Adel das Christentum an. Die Sprache des
katholischen Gottesdienstes, das Latein, wird auch zur Amtssprache des
Staates. Das Frankenreich besteht bis zur Mitte des IX. Jahrhunderts. Es
erlebt seine Blütezeit in der spätfränkischen Zeit, unter Karl dem Großen
aus dem Geschlecht der Karolinger ( 724 - 814 ). Unter Karl dem Großen
breitet sich das Frankenreich auf das Territorium vieler europäischer
Länder aus. Der Zusammenschluß der Franken, Alemannen, Bayern, Thüringer und Sachsen
im fränkischen Großreich legte den Grundstein zu ihtem Zusammenwachsen zu
einer Nationalität. Doch konnte dieser Prozeß im Rahmen des Frankenreiches
nicht abgeschlossen werden. Das Frankenreich war ein mehrsprachiger,
ethnisch bunter, lockerer Staat, der keine einheitliche ökonomische Basis
besaß und schwach zentralisiert war.
Ein entscheidener Schrift zur endgültigen Herausbildung der deutschen
Nationalität
war die Aufteilung des karolingischen Großreichs unter den Enkeln Karl des
Großen,
die Trennung seines westlichen ( französischen ) Teils von dem östlichen (
deutschen ) und die Abgrenzung in Sprachgruppen. Durch den Vertrag von Verdun im Jahre 843 entstanden 3 Reiche :
1. Karl der Kahle erhielt das Ostfränkische Reich ( das spätere
Frankreich );
2. Ludwig der Deutsche erhielt das Ostfränkische Reich ( das spätere
Deutschland);
- 7
3. Lothar erhielt das Mittelreich ( Italien und das Gebiet zwischen dem
Rhein, der Schelde und der Rhone, das später nach ihm Lotharingien benannt
wurde ). Von der sprachlichen Teilung, die sich nach der Aufspaltung des
fränkischen Großreichs vollzogen hatte, gibt eine Vorstellung das
Schriftdenkmal " Die Straßburger Eide ". Dieses Dokument entstand 842. Es
enthält den Text des Eides Karls des Kahlen und Ludwig des Deutschen und
ihrer Heere, womit sie ihre Bundesgenossenschaft im Kampf gegen Lothar
beschwören mußten. Wie alle Dokumente jener Zeit wurde er in lateinischer
Sprache abgefaßt. Damit aber beide Heere den Eid verstehen konnten, wurde
er auch in zwei heimische Sprachen übertragen : in römisch ( d.h.
altfranzösisch ) und in rheinfränkisch ( eine ahd. Mundart ).
2. Das Wort "deutsch ".
Der aus dem Osrfränkischen Reich hervorgegangene deutsche Staat
wurde im 9. Jahrhundert vorwiegend Teutonia, " das Teutonische Reich "
genannt. In vielen lateinischen Quellen finden sich in derselben Bedeutung
auch die Bezeichnungen Germania, Germani, germanikus. Das Wort " deutsch "
tritt zuerst 786 in lateinischer Form "theodiscus als Bezeichnung der
Sprache auf . Belegt ist um 800 auch der Ausdruck Teudisca lingua. Es heißt
zuerst " völksmäßige Sprache " vom got piuda, ahd. diot "Volk" und
bezeichnet eine beliebige germanische Sprache gegenüber dem Latein. Im
Frankenreich bekommt es dann die eigentliche Bedeutung " deutsche ", wobei
die zwei heimischen Sprachen des Reiches als Teudiska und Romana lingua
einander gegenübergestellt werden; " deutsch " wird also zum Synonym von
teutonicus "Teutonisch ". Um 1000 trifft man schon im deutschen Text die
Bezeichnungen diutiskiu liute und diutisciu lant, woraus im XV-XVI
Jahrhundert die Zusammensetzung Teutschland, Deutschland .
Thema IV.
Althochdeutsch ( 770 - 1050 )
Plan
1. Die althochdeutschen Territorialdialekte.
2. Die Sprachdenkmäler des Althochdeutschen.
3. Die Existenzform der Sprache in der althochdeutschen Zeit.
1 Die ahd. Periode umfaßt ca. drei Jahrhunderte, also von 770 bis 1050.
770 ist der Anfang des deutschen Schrifttums. Das deutsche Schrifttum
diente in erster Linie den Bedürfnissen der christlichen Missionierung und
des Lateinunterrichts [ vom lat. missio = schicken - die Missionierung ist
eine Tätigkeit, die die Verbreitung einer Religion, hier des Christentums
dient ].
Aus dem Lateinischen wurden in die heimischen Territorialdialekte
Glaubensbekennt -nisse, Gebete und theoretische Traktate übersetzt.
Althochdeutsch ist ein Terminus für die Bezeichnung des frühesten
Deutsch. Darunter versteht man die Sprache der althochdeutschen Stämme, die
das mittlere und südliche
Deutschland im frühen Mittelalter bewohnt haben ( Franken, Alemannen,
Bayern ).
Im Ahd. unterscheidet man zwei Gruppen von Territorialdialekten :
Mitteldeutsch und Oberdeutsch. Die Grenzen der ahd. Territorialdialekte
wurden von den Herzogtümern bestimmt, die gegen Ende des IX. Jahrhunderts
und zu Beginn des X. Jahrhunderts im Ostfrankenreich entstanden waren und
im Deutschen Reich fortbestanden.
- 8 -
Zu den oberdeutschen Dialekten gehören : 1. Bairisch
2. Alemmanisch
3. Oberdeutsches Fränkisch a) Südfränkisch b) Ostfränkisch Zu den mitteldeutschen Territorialdialekten zählt man :
1. Mitteldeutsches Fränkisch a) Rheinfränkisch b) Mittelfränkisch
2. Thüringisch. Oberdeutsch sprach man im Süden des Landes, Mitteldeutsch im zentralen
Teil, aber im Norden sprach man Niederdeutsch, das sich von dem
Hochdeutschen durch das Fehlen der zweiten hochdeutschen Lautverschiebung
unterscheidet. Die niederdeutschen Territorialdialekte schließen
Niederfränkisch und Niedersächsisch ein. 2. Die Sprachdenkmäler des Althochdeutschen. Das älteste ahd. Sprachdenkmal ist das Glossar von Keron, das um 750 (
770 ) von dem Mönch Keron in Sant-Gallen zusammengestellt war. Das Glossar
ist ein Wörterverzeichnis mit Übersetzung und Erklärungen. Es ist
alemannisch verfaßt. Die Hauptdenkmäler des Alemannischen sind : die " Benediktiner Regel " (
Anfang des IX. Jh.) , das "Georgslied " ( X. Jh.), die Werke von Notker ( X
-XI.Jh. ). Als Hauptdenkmal des Bairischen seien genannt : " Muspilli "( IX Jh.),
"Merigato " (Ende des XI.Jh. ). Das Ostfränkische ist in erster Linie durch den " Tatian " vertreten (
die erste Hälfte des IX. Jh. )
Das Rheinfränkische hat den " Isidor " ( VIII.Jh. ) und das
Evangelienbuch von Otfrid ( IX Jh.) als wichtigste Denkmäler.
" Tatian " ist die Übersetzung ( aus dem Lateinischen in das
Osrfränkische ) der " Evangelienharmonie "( Bibeltext ) des christlichen
Schriftstellers Tatian aus Syrien (II.Jh.). Diese Übersetzung wurde in
Fulda um 830 angefertigt. Das ist eines der bedeutenden ahd.
Sprachdenkmäler. " Isidor " ist die Übersetzung des theologischen Traktats des spanischen
Erzbischofs von Sevilla Isidor ( 560 - 636 )." Über den katholischen
Glauben ". Die Übersetzung entstand Ende des VIII. Jh.
" Muspilli "( ca. 830 ) ist eines der wichtigsten und poetisch
wertvollsten Denkmäler der ahd. Literatur. Es berichtet vom Weltende und
vom Jüngsten Tag. Das als Bruchstück ( 103 Verse ) erhaltene Poem ist im
Stabreim ( altgermanischer alliterirender Vers ) gedichtet. Die altgermanische epische Dichtung ist uns nur in einem Fragment aus dem
" Hildebrandslied "( um 780 ) überliefert. Dieses einzige epische Denkmal
entstand vermutlich im VII Jh. und wurde fast zwei Jahrhunderte später im
Kloster Fulda aufgezeichnet. Es berichtet über den Kampf des Vaters
Hildebrand und seines Sohns Hadubrand, der den Vater nicht erkennt und ihn
für einen lustigen Hunnen hält. Das Ende des Streites ist nicht
überliefert. Das Gedicht ist in alliterierendem Vers gedichtet.
3. Die Existenzform der Sprache in der ahd. Zeit. In dieser Zeit gab es noch keine deutsche Gemeinsprache. Die einzige
Existenzform der werdenen deutschen Sprache waren die Territorialdialekte.
Es fehlte eine einheitliche ökonomische Basis sowie ein intensiver Verkehr
zwischen den einzelnen Landschaften. All das hinderte an der Herausbildung
einer einheitlichen Verkehrssprache. Die Entwicklung des Schrifttums ( VIII
Jh.) und die Entwicklung der religiösen Übersetzungsliteratur führten zu
einer tiefgreifenden Entwicklung der deutschen Sprache.
- 9 -
Thema V
Mittelhochdeutsch ( 1050 -1350 )
Plan
1. Die zeitlichen Grenzen der mhd. Periode
2. Die Literatur des Mittelhochdeutschen.
3. Die Mittelhochdeutschen Dialekte.
4. Die Existenzformen der Sprache in der mhd. Zeit.
1. Die Mittelhochdeutsche Periode umfaßt den Zeitraum von 1050 bis um 1350.
Sie fällt mit der Epoche des vollentwickelten Feudalismus in Deutschland
zusammen. Diese Epoche ist durch einen bedeutenden wirtschaftlichen und
kulturellen Aufschwung, durch die Entwicklung von Geldwirtschaft, Handel
und Gewerbe, durch das Wachstum der Städte gekennzeichnet. Es ist die
Blütezeit des deutschen Rittertums, die Epoche der italienischen Feldzüge
der deutschen Kaiser, die Epoche der Kreuzzüge nach Palästina, und die
Epoche der deutschen Expansion nach Osten. Es entwickelt sich in dieser
Zeit eine neue weltliche ritterliche Kultur, die ihren Ausdruck auch in der
reichen Entfaltung der ritterlichen Dichtung findet..
2. In der mhd Zeit ist eine reiche Literatur geschaffen Die Hauptgattungen
der mhd. Literatur sind : der Heldenepos, der Ritterroman, der Minnesang (
ritterliche Lyrik ) und der Spielmansepos. Die Heldenepen stammen aus dem bairisch-österreichischen Sprachraum. Sie
knüpfen an die altgermanischen mytischen und historischen Sagen an. Ihre
Verfasser sind unbekannt. Das sind 1) das " Nibelungenlied ", eines der
hervorragendsten mittelalterlichen deutschen Epen, das die altgermanische
mythische Sage von Siegfried und die historische Sage vom Untergang des
Burgundenreiches vereinigt, 2) " Gudrun " ( nach der Hauptheldin benannt ),
ein Epos aus dem Kreis der Wikingersagen, 3) die Epen über Dietrich von
Bern ( dem ostgotischen König Theodorich ) aus dem gotischen Sagenkreis. Die deutsche Ritterromane sind Nachdichtungen französischer Ritterromane.
Besonders bekannt sind darunter a) " Erek ", und " Iwein " und die
Verslegende " Der arme Heinrich " des schwäbischen Ritters Hartmann von Aue
( um 1165-1210), b) der Roman " Tristan und Isolde " ) des Verfassers
Gottfried von Straßburg ( gestorben. um 1210 ); c) der Versroman "Parzifal
" des Ritters Wolfram von Eschenbach aus Nordbayern ( um 1170-1220 ). Die ritterliche Lyrik ist auch im Süden reich vertreten. Außer den
Liebesliedern Hartmanns von Aue und Wolframs von Eschenbach sind noch die
Werke Rheinmarders Alten und Rheinmars von Hagenau zu nennen. Der größte
Lyriker jener Zeit aber war Walter von der Vogelweide ( um 1160-1227 ). In
seinen lyrischen Gedichten verherrlicht er die Schönheit der Natur, die
Liebe. ( daher der Minnessänger, die Liebe -
die Minne ). Die Spielmannsepen " König Rother " und "Herzog Ernst "setzen
die Traditionen der alten epischen Volksdichtung fort. Sie wurden von
fahrenden Spielleuten vorgetragen. Die ritterliche Dichtung, die im XII-
XIII Jh. aufblühte, starb bis zum XIV Jh. fast gänzlich aus. An ihre Stelle
tritt allmählich die städtische oder bürgerliche Literatur, die wachsende
Aktivität des werdenden Bürgertums verkündet. Die bürgerliche Literatur des
XIII Jh. ist durch folgende Gattungen vertreten : a) Schwänke., d.h.
komische Kurzgeschichten, z.B. " Pfaffe Amis " des fahrenden Dichters
Stricker - eine Sammlung von Schwänken über den lustigen Pfaffen Amis; b)
didaktische Dichtung - gereimte Sprüche mit belehrendem Inhalt, z.B. das
Lehrgedicht
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des fahrenden Dichters Freidank " Bescheidenheit "; c) Versnovellen, z.B.
die Verserzähliung " Meier Helmbrecht "des österreichischen Dichters
Wernere der Gärtner ( um 1275 ).
3. Die mitteldeutschen Territorialdialekte. Im XII und XIII Jh. hat sich der deutsche Sprachraum infolge der
Expansion nach Osten und der Eroberung slawischer und baltischer Gebiete
stark erweitert. Die westslawischen Gebiete zwischen Oder, Havel, Spree, Elbe, Saale und
dem Erzgebirge wurden erobert und kolonisiert, d.h. in diesen Gebieten
wurden Marken und Herzogtümer gegründet, z. B. die Mark Lausitz, die Mark
Meißen ( späteres Obersachsen ) - noch im X Jh., im XII Jh. : die
Markgrafschaft Brandenburg ( 1150 ), das Herzogtum Mecklenburg ( 1170 ),
das Herzogtum Pommern ( 1180 ). Viele slawische Ortsnamen wurden
eingedeutscht : z. B. Brandenburg ( Áðàííûé áîð ), Leipzig ( Ëèïåöê ),
Lübeck ( Ëþáå÷ ) , Dazig ( Ãäàíüñê ), Breslau ( Âðîöëàâ ) , Pommern (
Ïîìîðüå ) , die Havel ( Ãàâåëà ) , Dresden ( äðåçäàíå - ëþäè áîëîò) u.a.
Die slawische Bevölkerung wurde massenweise vernichtet, die Überbleibenden
wurden unterjocht und eingedeutscht. Auf slawischem Boden entstanden reiche
Klöster Grundbesitze geistlicher und weltlicher Feudalherren. Aus Sachsen,
Hessen, aus den Niederlanden und aus Burgunden strömten deutsche Ansiedler
herbei, angelockt vom fruchtbaren Boden und von Privilegien. Das hatte
seine Folgen in der Entstehung von Kolonialdialekten in den besetzten und
kolonisierten östlichen Gebieten. Hier entwickelten sich neue Dialekte der
deutschen Sprache, die sich von den altererbten Dialekten unterscheiden.
Die Eigenart der neuen Dialekte ist dadurch bedingt, daß die Ansiedler aus
verschiedenen Gegenden des Landes kamen, das führte zur Intergration der
Dialekte ( d.h. Mischung und Verschmelzung der Dialekte ). Auf dem
neugewonnenen Territorium entwickelten sich neue Dialekte:
Ostniederdeutsch und Ostmitteldeutsch. Man gliedert die mhd. Territorialdialekte ( für das XIII - XIV Jh.
folgenderweise : )
4. Ostmitteldeutsch : Meißnisch oder Obersächsisch, Thüringisch,
Schlesisch. III. Oberdeutsche Dialekte :
1. Schwäbisch - Alemannisch
2. Bairisch - Österreichisch
3. Südfränkisch
4. Ostfränkisch
Für die Entwicklung der mhd. Dialekte sind zwei Tendenzen charakteristisch
: 1. die Tendenz zur Integration ( besonders im östlichen Sprachraum ), 2.
die Tendenz zur Differenzierung ( besonders im westlichen Sprachraum ). Die
Differenzierung führte zur Vertiefung zwischen den Dialekten. Beide
Tendenzen sind aufs engste mit den
- 11 -
Besonderheiten der gesellschaftlichen Entwicklung des hoch - und
spätmittelalterlichen Deutschland verbunden. Obwohl in Deutschland in
dieser Zeit eine rasche Entwicklung der Produktivkräfte vor sich ging,
zahlreiche Städte entstanden, Handel und Gewerbe aufblühten, blieb es (
Deutschland ) doch wirtschaftlich und politisch zersplittert ( über 300
Herzogtümer, Grafschaften u.a.m. ) und uneinig.
4. Die Existenzformen der Spache in der mhd. Zeit. Die vorherrschende Existenzform der deutschen Sprache blieben auch in der
mhd. Zeit die Territorialdialekte. Das Kennzeichen der mittelhochdeutschen Sprachperiode ist aber, daß sich
neben den Territorialdialekten neue Existenzformen der deutschen Sprache zu
entwickeln beginnen. Einen bedeutenden Anstoß dazu gibt das Aufblühen der
weltlichen Dichtung und die Entwicklung verschiedener Gattungen der Prosa. Die Dichter der mhd. Zeit sind bestrebt, die auffälligsten Dialektismen,
die komisch wirken, zu vermeiden, aber ihre Sprache weist noch einen
großen Einfluß der heimatlichen Mundart des Verfassers auf. Um die Mitte dieser Sprachperiode kommt auch ein erster Ansatz zu einer
gemeindeutschen Literatursprache auf. Es ist das sogenannte klassische
Mitteldeutsche, das sich Ende des XII Jh. in Verbindung mit der höfischen
Literatur Süd-und Mitteldeutschlands herausbildet und bis ins XIV Jh.
hinein fortlebt.
Thema VI
Frühneuhochdeutsch ( 1350 - 1650 )
Plan
1. Die zeitlichen Grenzen der fnhd. Periode.
2. Sprachliche Einigungstendenzen in der fnhd. Zeit
3. Die Verbreitung der Sprache Luthers in der fnhd. Zeit.
1. Die fnhd. Sprachperiode ist Übergangszeit vom mittelalterlichen Deutsch
zum eigentlichen neuzeutlichen Deutsch. Sie dauerte von etwa 1350 bis 1650.
Im Laufe dieser Periode wurden die ersten Voraussetzungen für die
Entwicklung der gemeindeutschen nationalen Literatursprache geschaffen.
In der fnhd. Zeit entwickelte sich eine reiche Literatur. Die
Herausbildung der regionalen ( landschaftlichen ) Literatursprachen ist das
Hauptkennzeichen der fnhd. Sprachperiode.
2. Sprachliche Einigungstendenzen in der fnhd. Zeit. Bereits in der fnhd Zeit wirkten sprachliche Einigungstendenzen, die über
den Rahmen einzelner sprachlicher Landschaften hinausreichten. Eine davon
ist die Tendenz zur sog." Verhochdeutschung " aller Gattungen des
Schrifttums in Mittel - und Norddeutschland. Im XIV -XV Jh. äußerte sich die andauernde Tendenz zur " Verhochdeutschung
" vornehmlich in der Verschmelzung mitteldeutscher und süddeutscher
Elemente in der ostmitteldeutschen Literatursprache, was sie zu einer
Ausgleichsprache gestaltete. Die Einigungstendenzen kommen in der fnhd. Zeit auch darin zum Ausdruck,
daß sowohl das Gemeine Deutsch als auch das Ostmitteldeutsche sich über die
ursprünglichen Grenzen hinaus verbreiteten. Das Gemeine Deutsch ist die
südöstliche landschaftliche Variante der Literatursprache.
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Das Ostmitteldeutsche ist eine ostmitteldeutsche Variante der
Literatursprache, die
sich seit um XVII Jh. im meißnisch-obersächsischen Gebiet entwickelte. Das
Ostmitteldeutsche gewann bereits in der fnhd. Zeit den niederdeutschen und
einen Teil des westmitteldeutschen Sprachraums. Im XVI Jh. nehmen die sprachlichen Einigungstendenzen den Charakter eines
bewuÿten Ringens um eine gemeindeutsche Sprache an. Die Entwicklung des
Nationalbewußtseins, der Drang nach politischer Einigung, nach
Konsolidierung der Nation, der die frühkapitalistische Epoche kennzeichnet,
ruft auch das Streben nach politischer Einigung und nach bewußter Pflege
der Muttersprache hervor, deren Wert und Würde nun erkannt und eifrig
unterstützt werden. Dieses Streben kommt auch in den Schriften und in der
gesamten Tätigkeit deutscher Humanisten zum Ausdruck. Das wachsende Bedürfnis nach einer Einheitssprache ruft in dieser Zeit
auch den Begriff " gemain teutsch " ins Leben. Ihn bringen in der II. Hälfte des
XV. Jh. besonders die größten süddeutschen Buchdruckereien von Augsburg,
Nürnberg, Straßburg in Umlauf. Unter diesem Begriff verstehen sie die
oberdeutsche Variante der Literatursprache, die sie gebrauchen.
Die Erfindung des Buchdruckes und die schnellen Fortschritte des
Buchdruckwesens und des Buchhandels fördern den sprachlichen Ausgleich. Die
Buchdrucker streben die Vereinheitlichung der Sprache und die Schreibung
an. Einen starken Anstoß zur beginnenden Herausbildung der gemeindeutschen
Literatursprache gaben die Reformation und der Bauernkrieg in Deutschland (
1517-1525, 1524-1525 ). Der Kampf gegen die Großfeudalen und die päpstliche
Kirche erfaßte alle Klassen der Gesellschaft. Breite Volksmassen
beteiligten sich aktiv am ideoligischen Streit um religiös-politische
Probleme. Im Zusammenhang damit wurde die deutsche Sprache zum erstenmal
zur Sprache der Propaganda unter den breiten Volksmassen. Das ganze Land
wurde von religiös-politischen Pamphleten, Agitationsschriften, satirischen
Schriften, Aufrufen, politischen und agitorischen Flugschriften in Prosa,
Versen und in Form von Dialogen überflutet.
- 13 -
Thema VIII
Das phonologische System der deutschen Sprache aus diachronischer Sicht.
Plan
I. Konsonantismus
1. Die II. oder althochdeutsche Lautverschiebung
2. Die Entwicklung der Phoneme [ ], [ z], [v ].
II. Vokalismus
1. Drei Arten des Vokalwandels ( der Ablaut, die Brechung, der Umlaut )
2. Die Abschwächung der unbetonten Vokale .
3. Die Diphtongierung und die Monophthongierung.
4. Die Dehnung und die Kürzung der Vokale.
I. Von den wichtigsten Wandlungen im phonologischen System der deutschen
Sprache in der historischen oder literarischen Zeit ( vom VIII -XX Jh.)
sind folgende zu nennen : die II. oder ahd. Lautverschiebung, der Umlaut,
die Abschwächung der unbetonten Vokale, die Diphtongierung, die
Monophthongierung und die Dehnung und die Kürzung der Vokale. Die II. oder althochdeutsche Lautverschiebung betrifft zwei Gruppen von
Konsonanten : die germanischen p,t,k und die germanischen b,d,g
Die Umwandlung im Konsonantensystem der hochdeutschen
Territorialdialekten begann im V/VI Jh.u.Z. im Bairischen und Alemanischen
und erfaßte in der Folgezeit, zwischen 800 und 1200, auch das Fränkische.
In ihrer Ausbreitung nordwärts verlor sie allmählich an Intensität und
machte schließlich vor der Grenze des Niederdeutschen halt. Durch ihre
Abstufungen schuf sie sehr bedeutende lautliche Unterschiede zwischen den
einzelnen ahd Dialekten, die auch heute zu den wesentlichen
differenzierenden Merkmalen einzelner hochdeutscher Mundarten zählen.
Zugleich stellte die II.ahd Lautverschiebung alle hochdeutschen Mundarten
dem Niederdeutschen entgegen. Die II. Lautverschiebung prägt auch das
Konsonantensystem der deutschen Literatursprache. Die germanischen stimmlosen Explosivlaute p,t,k wurden im Ahd. teilweise
oder vollständig spirantisiert, d.h. in Frikativlaute ( Spiranten ) oder
Affrikaten verschoben:
a) im In -und Auslaut des Wortes nach einem Vokal wurden die germanischen
p,t,k zu ff,33,hh verschoben:
as. opan ahd. offan, as.etan -ahd. e33an,as. ik -ahd.ih
b) im Anlaut, inlautend und auslautend nach einem Konsonanten sowie bei
Konsonantendehnung wurden die germ. p,t,k zu den Affrikaten pf, z, kch (ch)
verschoben:
as. tunga -ahd. zunga, as. pund- ahd. pfunt, as. appul -ahd apful, as. korn
-ahd(bair.) kchorn. Die Verschiebung von k> k(ch) ist nur im Bairischen und Alemanischen
anzutreffen. Im Fränkischen bleibt k enthalten. Die germanischen Explosivlaute b,d,g, die sich aus b,,g entwickelt
hatten, wurden im Ahd zu p,t,k verschoben:
as. drinkan -ahd. trinkan; as. burg ahd. bair. purc, as. geban -ahd.bair.
kepan. Die Verschiebung von b,g zu p,k war nur dem Bairischen eigen. Nur die
Verschiebung von d zu t hat einen Teil des Fränkischen erfaßt. Die Grenze zwischen dem Hochdeutschen und dem Niederdeutschen, wo die II.
Lautverschiebung haltgemacht hat, nennt man die Benrater Linie ( nach dem
Schloß
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Benrat bei Düsseldorf ). Diese Linie verläuft über drei große Städte an
drei großen Flüsse: Düsseldorf am Main, Magdeburg an der Elbe und Frankfurt
an der Oder. Im VIII Jh. begann in den oberdeutschen Dialekten der Übergang des
germanischen stimmlosen interdentalen Frikativlautes Þ über die
Zwischenstufe ð zu d ;Þ.>ð.> d :
got. Þreis, as. thria, ae. Þrie - ahd. thrie, drie, dri "drei ".
got. Þata, as. that, ae. Þæt - ahd. tha3, dha3, da3 "das". Im Fränkischen vollzieht sich der Übergang Þ > d im IX-XII Jh. Im XII-XIV
Jh. erfaßt er auch die niederdeutschen Dialekte. Deshalb wird der Übergang
Þ > d in die II. Lautverschiebung nicht eingeschlossen.
Das Althochdeutsche besaß kein [ ]. Die Entwicklung dieses Phonems
beginnt im XI Jh. aus der Konsonantenverbindung sk. Seit dieser Zeit
erscheint die Schreibung sch, die im XII Jh. allgemeine Verbindung bekommt.
:
ahd. skînan > mhd. schînan "scheinen ".
ahd. skôni > mhd. schæne "schön ".
Man nimmt an, daß der Laut k zuerst an das varausgehende s assimiliert
wurde und später mit ihm verschmolz: sk > sch > [ ] .
Seit dem XIII. Jh. wird [s ] zu [ ] im Wortanlaut vor l,m,n,w und nach
r. Für die Bezeichnung des [ ] wurde die bereits vorhandene Schreibung sch
benutzt :
ahd. slafan, mhd. slâfen > nhd. schlafen smerza smerze Schmerz sneo sne Schnee swarz swarz schwarz kirsa kirse Kirsche
Etwas später entwickelt sich das [ ] auch vor p,t, obwohl es in der
Schreibung unbezeichnet blieb :
ahd. spati, mhd. spæte > spät [ ] starc starc stark Um die Mitte des XIII Jh. wird s im Wortanlaut und im Inlaut vor Vokalen
stimmhaft : [ s] > [z], ohne daß diese Wandlung besonderen Ausdruck in der
Schreibung findet :
ahd. [ s] sin, mhd. sin > nhd. sein [ z] lesan lesen lesen [z]
Im Althochdeutschen und zu Beginn des Mittelhochdeutschen war w ein
bilabialer Halbvokal, was die Formen ahd. seo " See" Gen. sêwes, mhd. se,
G. sewes bezeugen (der Halbvokal w wurde im Wortauslaut vokalisiert ), (
auch heute Virchow, Pankow ).
Im XIII Jh. entwickelt er sich zum labiodentalen stimmhaften Geräuschlaut.
II. Vokalismus
1. Von drei Arten des Vokalwandels der deutschen Gegenwartssprache ist der
Ablaut die älteste.
Der Ablaut ist ein spontaner Vokalwandel. Er ist allen germanischen
Sprachen eigen und hat seinen Ursprung im Indoeuropäischen,( Im Russischen
-íåñòè- í¸ñ, âåçòè -â¸ç-âîç, íîøà ). Der Ablaut ist der Wandel des
Stammvokals bei der Bildung der Grundformen der starken Verben :
I. ahd. scriban - screib - scribum - giscriban
II. biogan - baug - bugum - gibogan
III. werdan - ward - wurtum - wortan
Der Ablaut ist auch ein Wortbildungsmittel, z.B.
ahd. hano " ïåòóõ "- " huon " " Huhn ", auch im Suffix : Nibelungen -
Karolingen.
- 15 -
Ein anderer Vokalwechsel ist die Brechung. Das ist ein assimilatorischer
Vokalwandel, auch Vokalharmonie genannt. Die Brechung ist die Hebung bzw.
Senkung der Stammsilbenvokale unter dem Einfluß der Vokale der
nachfolgenden Silben, also eine regressive Assimilation. Sie war allen
altgermanischen Sprachen eigen.
Die Hebung des e zu i geschah durch Einwirkung der Vokale der hohen
Zungenlage i oder j der folgenden Silbe und vor n + Konsonant :
lat.: ventus - ae.,as. wind, ahd. wint " Wind "
ahd. erda - irdisk " irdisch ".
Die Senkung des Phonems i zu e geschah vor dem Vokal der tiefen Zungenlage
a :
lat. piper - ahd. pfeffer
lat. sinapis - as. senep " Senf ":
Unter ähnlichen Positionsbedingungen vollzog sich der Wechsel von a und u :
ahd. helfan - half - hulfum - giholfan beogan - biugu In der deutschen Gegenwartssprache lebt die Vokalharmonie im Wechsel der
Vokale e/i fort : ich gebe - du gibst < gibis - gibt < gibit
Erde - irdisch, Berg - gebirgig, " Gebirge "
Die Brechung enstand vermutlich im I. Jh. u. Z. und war in der ahd.
Periode schon eine historische Erscheinung, d.h. sie trat nicht in allen
Fällen ein :
geholfan, geworfan aber gibuntan, funtan ( gefunden ) Ein so zusagen lebendiger Vokalwechsel war im Ahd. der Umlaut. Das ist
wie auch die Brechung ein assimilatorischer Vokalwandel, noch eine Art
der Vokalharmonie.
Der Umlaut hatte für die deutsche Sprache eine besondere Bedeutung. Im
Ahd entwickelte sich der Umlaut nur von dem kurzen a, das unter dem Einfluß
des i oder j der folgenden Silbe zu e wurde :
ahd. gast - gesti, kraft - krefti, alt - eltiro, faru - feris - ferit.
Der Umlaut erscheint im VIII Jh. in den nordfränkischen Dialekten, dann
verbreitete er sich südwärts. Aber es gab im Ahd. viele Hinderungen für die
Entwicklung des Umlauts a > e : a wurde nicht umgelautet vor ht, hs,rw.
ahd. maht - mahtig, garwan - garwit ( gärbt ) wahsan - wahsit.
Die Umlauthinderungen wurden zu Beginn der mhd. Periode beseitigt, so daß
seit dem XII Jh. auch hier der Umlaut eintrat. Er wurde als ä bezeichnet (
der sogenannte Sekundärumlaut ) : mähtig, wähset, gärwat u.a. Gegen Ende der ahd. Periode entwickelte sich auch der Umlaut des langen u
: hus - hiusir, mus - muisi. In der mhd. Zeit wurden auch die übrigen Vokale umgelautet : das lange a
zu æ, das kurze o zu ö, das lange o zu oe, das kurze u zu ü :
ahd. spati - mhd. spæte - nhd. spät mahti möchte möchte skoni schoene schön wurfil würfel Würfel
So wurden die umgelauteten Vokale aus den Varianten der Phoneme zu
selbständigen Phonemen ( d.h. sie übernahmen eine sinnunterscheidende
Funktion ) wurden phonologisiert. Der Umlaut ist der Übergang der Vokale
der vorderen Reihe e, ö, ü unter der Einwirkung von i / j der folgenden
Silbe. Deshalb nennt man ihn noch i- Umlaut.
2. In der mhd. Zeit vollzieht sich die Abschwächung der unbetonten Vokale.
Die langen
- 16 -
und kurzen Vokalphoneme a, o, u, e, i der unbetonten Silben sind zu e [ ]
abgeschwächt oder gänzlich geschwunden.
a) Abschwächung der Vokale :
ahd. taga - mhd. tage, gesti - geste, namum - namen
b) Schwund der Vokale am Wortende ( Apokope ) oder in der Wortmitte (
Synkope ) :
ahd. großiro - mhd. groe3er, herison - hersen.
3. Diphtongierung, Monophtogierung, Erweiterung der alten Diphtonge ei, ou.
Einige Neuerungen im System vokalischer Phoneme waren in den einzelnen
Territorialdialekten bereits in der mhd. Zeit entstanden, aber sie bekamen
erst in der fnhd Sprachperiode allgemeinere Ausbreitung und prägten somit
das fnhd. phonologische System. In der Folgezeit bestimmten sie den
Charakter des Nhd.
Im XII. Jh. beginnt im äußersten Südosten, in Kärnten, der Wandel der
langen Vokale der hohen Zungenlage i, u, iu [ y: ] zu Diphtongen :
ï > ei [ae ] - mhd. mín > fnhd. mein, ís > eis, drí > drei
û > au - ûf > auf, hûs > haus tûbe > Taube, brûchen > brauchen
iu [y: ]> eu hiute > heute, liute > leute diutsch > deutsch.
Im Laufe des XII - XVI Jh. dehnt sich die Diphtongierung über den
gesamten hochdeutschen Sprachraum aus und wird zum Kennzeichen der
hochdeutschen Dialekte. Den alten Vokalstand bewahren die Schweiz ( vgl.
die Benennung der Schweizer Landessprache Schwyzer tütsch -
Schweizerdeutsch ), Elsaß , der niederdeutsche Sprachraum und einige
angrenzenden Gegenden des Mitteldeutschen. Da die Diphtongierung auch zum
Kennzeichen der werdenden gemeindeutschen Literatursprache wird, nennt man
sie " die neuhochdeutsche Diphtongierung " .
Gleichzeitig mit der Entwicklung neuer Diphtonge vollzieht sich im
Bairisch- Österreichischen auch die Erweiterung alter Diphtonge ei > [ ae
], ou> au, die mit den neuen Diphtongen zusammenfallen : mhd. ein > fhnd. ein [ aen], teil > [ tail ]
vgl. mín - mein , drí - drei. Gleichzeitig mit der Entwicklung der Diphtongierung entwickelt sich im XI-
XII Jh. in den mitteldeutschen Mundarten ( ein entgegengerichteter
Lautwandel ) die Monophtongierung der Diphtonge ie, uo, üe :
ie > ie [ i: ] - mhd. hier > fnhd. hier [ i: ] fliegen fliegen
uo > u guot gut buoch buch
üe > ü güete güte " Güte " süe3e süß Die Diphtongierung ergreift nur einen Dialekt des Oberdeutschen - das
Südfränkische. Alle anderen oberdeutschen Dialekte bewahren die alten
Diphtonge mit der Tendenz zur Entlabialisierung : z.B. schen für schön,
glik für Glück. Die Diphtongierung, die Erweiterung der alten Diphtonge ei, ou und die
Monophtongierung hatten eine große Bedeutung für die werdende
gemeindeutsche Sprache. Sie prägen das phonologische System der deutschen
Literatursprache. Sie prägen das phonologische System der deutschen
Literatursprache der Gegenwart.
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4. Positionsbedingte Dehnung und Kürzung der Vokale ( 100 ).
Im XII -XVI Jh. ändert sich die Vokaldauer in vielen Wörtern.
Der Vokal wird auch gedehnt :
ahd. neman, mhd. nemen > nehmen. faren faren fahren namo name Name
Der Vokal wird auch gedehnt, wenn die Silbe geöffnet werden kann :
ahd. tag, mhd. tac - nhd. Tag - Tages - Tage
Lange Vokale werden vor Konsonantengruppen gekürzt, da diese eine
geschlossene Gruppe bilden :
ahd. brahta > mhd. brahte > nhd. brachte la33an la33en lassen.
THEMA IX Das morphologische System der deutschen Sprache in sprachgeschichtlicher
Beleuchtung (aus diachronischer Sicht )
I. Das Verb
1. Die grammatischen Kategorien des Verbs
2. Die morphologische Klassifikation der Verben.
3. Die thematischen und athematischen Verben.
1. Im Ahd. hatte das Verb die grammatischen Kategorien der Zeit, der Zahl,
dr Person, die Kategorie des Modus ( Indikativ, Konjuktiv, Imperativ ).
Aber die Kathegorie des Genus ( Aktiv - Passiv ) war noch nicht entwicklet.
Es fehlte das Passiv. Die Kategorie der Zeit hatte nur zwei Formen für drei Zeitstufen : das
Präsens, diente zum Ausdruck der Gegenwart und der Zukunft, und das
Imperfekt ( Präteritum ) zum wurde zum Ausdruck der Vergangenheit
gebraucht. Die analytischen Zeitformen Perfekt und Plusquamperfekt
entwickelten sich im Ahd. und Mhd. aus biverbalen Wortgruppen wie haben +
P.II , werden + P.II und sein + PII, in denen das II. noch deklinierbare
Form haben , z.B. Argangana uuârun ahtu daga.( Es waren acht Tage vergangen
).
Die Kategorie dr Zahl war wie auch heute durch den Singular und Plural
vertreten.
Die Katgorie der Person besaß dieselben Formen wie heute :
die erste, zweite und dritte P. im Sg. und Pl.
2. Die morphologische Klassifikation der Verben im Ahd. unterscheidet sich
von der in der deutschen Gegenwart., Wie auch heute gliedert man die ahd.
Verben in starke schwache und unregelmäßige nach der Art der Bildung des
Präteritums. Aber im Ahd. unterscheidet man noch thematische und
athematische Verben nach der Bildung des Präsens. Starke Verben. Der Terminus "starke "und " schwache " Verben gehört
J.Grimm. Unter starken Verben verstand er jene Schicht der uralten Verben,
die noch auf das Altgermanische zurückkommen, und die das Präteritum mit
Hilfe des Ablauts bilden:
helfan - half - hulfum - giholfan .( Inf. - Präs. Sg. - Präs. Pl. - P.II. )
Man teilt starke Verben in 7. Ablautreihen. Zu den schwachen Verben zählte
J. Grimm die spätergebildeten Verben, die ihre Präteritumformen mit Hilfe
des Dentalsuffixes bilden : dionôn -dionôta.
Thematische Verben bilden das Präsens mit dem Suffix - i im Sg. und - a- im
Pl.:
geban - gibu - gibit- gebamês - gebe - gebant.
Dieses Suffix wird der Themavokal genannt, und die Verben mit diesem Suffix
- die
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thematischen Verben.
Die thematischen Verben sind : alle starken Verben und die schwachen Verben
der 1. Klasse. Man unterscheidet im Ahd. drei Klassen der schwachen Verben - nach ihrem
stammbildenden Suffix :
I. Klasse - jan - teilen, zellen = thematischen Verben
II.Klasse - ô- diônon, salbôn = athematische Verben
III. Klasse - ê - habên, folgên = athematische Verben
Die thematische Konjugation :
Präsens i / a
Sg. 1. faru Pl. farames gibu gebamês
2. feris(t) faret gibis(t) geb-e-t
3. ferit farant gibit geb-ant
Die athematischen Verben behalten ihr stammbildendes Suffix ô, ê und
erhalten deshalb kein formenbildendes Suffix - den Themavokal.
Präsens Präteritum
1. dionom habem bant - buntum
2. dionost habes(t) bunti - buntut
3. dionot habet bant - buntun
Nach dieser Endung werden sie mi- Verben genannt. Im Mhd. ist die Endung
- m außer Gebrauch gekommen. Nach der Abschwächung der stammbildenden
Suffixe der schwachen Verben der II. und III. Klasse o, e zu e
unterscheiden sich nicht mehr von dem Suffix der I. Klasse. Und seitdem
bilden die schwachen Verben eine einheitliche Klasse. Infolge der Abschwächung des Themavokals i/a zu e im Mhd. infolge seines
Schwunds in späterer Zeit ist der Ausgleich der Personalendungen der
thematischen und athematischen Konjugation vor sich gegangen. Nur der
Umlaut und die Brechung des Stammvokals in der 2., 3. P. Sg. der starken
Verken erinnert uns heutzutage an die alte thematische Konjugation. Und die alte Endung - m, zu - n assimiliert, bewahrt nur die Verbform bin
( < bim ).
Zu den athematischen Verben zählt man außer den schachen Verben der II. und
II.Klassen auch die unregelmäßigen Verben und die Präteritopräsentia.
Die Präteritopräsentia werden so bezeichnet, weil ihre Präsensformen alle
Merkmale des starken Präterits haben, und zwar : den Ablaut des Stammvokals
im Sg. und im Pl. und die Nullendungen in der 1.,3. P. Sg.
wi33an Präsens Präterit stígan ( I. Ablr.)
1.P. Sg. wei3 - steig -
1.P.Pl. wi33um stigum
Eigentlich sind ihre Präsensformen die ehemaligen umgedeuteten
Präteritumformen, die früher nicht nur Vergangenheit bezeichneten, sonsern
auch das Resultat der Handlung in der Gegenwart und später die Gegenwart.
Die alten Präsensformen sind nicht überliefert worden, die neuen
Präteritalformen wurden mit dem Ablaut und dem Dentalsuffix - t - der
schwachen Verben gebildet:
ahd. scal - sculum - scolta .
Präteritopräsentia im Ahd. : wi33an, durfan ( bedürfen ), ( k )unnan,
scolan, magan ( vermögen - können ), mugan , toug ( es nützt ), gitar ( er
wagt ), ginah ( es genügt ),
muo33un, eigun ( er besitzt ), an.( er gönnt ).
Die deutsche Gegenwartssprache besitzt 7 Präteritopräsentia : wissen + 6
Modalverben :
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müssen, sollen, können, dürfen, wollen, mögen. Sie haben auch heute im
Präsens die Merkmale des starken Präterits : den Ablaut des Stammvokals und
die Nullendung in der 1., 3.Pl. Sg.
Zu den unregelmäßigen Verben gehören im Ahd. folgende Verben : 1. tuon,
gên, stên; 2. sín; 3. wellen ( wollen )
Die Präsensformen dieser Verben sind unregelmäßig, da sie im Gegensatz zu
den regelmäßigen Verben des Ahd. keinen Themavokal haben, und die
Personalendungen werden unmittelbar an das Wurzelmorphem angefügt. Aus
diesem Grunde nennt man sie athematische Verben. Außerdem haben sie in der
1.P. Sg. Präsens eine archaische gemeinindoeuropäische Personalendung -m (
ai. -mi, griech. - mi, altruss.åñìü ,lat. sum.)
Präsens Singular.
1. tuo -m stê-m( ste-n ) sta-m gê-m (=) gâ-m ( ga-n)
2. tuo-s(t) ste-s(t) sta-s (t) ge-s(t) ga-s(t)
3. tuo-t ste- t sta-t ge-t ga-t
Plural
1. tuo-mes stê-mês gê-mês gâm-es
2. tuo-t ste-t ge-t ga-t
3. tuo-ut stê-n gê-nt gâ -nt
Das Verb tuon besitzt außerdem eine eigenartige Präteritumform, z.B.
1.P.Sg. teta, die durch Reduplikation gebildet ist.
Präteritum
Sg. 1. teta tâtum ( un ) Pl.
2. tâti tâtut
3. teta tâtun
Das P. II. hat die starke Form gitan.
Die Verben gân, gên,stân, stên sind kurze zusammengezogene Formen der
Verben gangan und stantan . Im Präteritum und im P.II haben sie
vollständige Formen.
Prät. Sg. gieng - Prät. Pl. giengum - PII. gigangan stuont stuontum gistantan
2. wesan, sín. In allen i / e Sprachen hat das Verb des Seins ein aus
verschiedenen Wurzelmorphemen zusammengesetztes Paradigma. In den
germanischen Sprachen beteiligen sich am Paradigma dieses Verbs folgende
Wurzelmorpheme :
a) das i / e Wurzelmorphem es - und seine Nullstufe s - ( vgl. lat. esse,
altruss. åñìü, åñè,åñòü,ñóòü ).
Präsens
Indikativ
Konjuktiv
Sg. 1. bim (-n ) Pl. 1. burum (-n) Sg. sí Pl. sím (-n)
2. bist 2. birut n sís(t)
sít
3. ist 3. sint sí sín
c) In allen Formen außer dem Präsens wird das starke Verb ahd. wesan, sein,
existieren ( V. Ablautreihe ) gebraucht : Prät. 1.,3. P. Sg. was - 1.P.Pl. warum ( mit später Aufhebung des
Konsonantenwechsel s - r ); Inf. wesan, später durch sín verdrängt;
Imperativ 2.P.Sg. wis, 2. P.Pl. weset (auch sít ); P.I. wesanti, später
seiend ( vgl. heute anwesend, abwesend ). Das P.II fehlt im Ahd. ( mhd.
gewesen, gesin, nhd. gewesen )
4. wellen ( nhd. wollen ) Auch hier ist das Präsens eine umgedeutete
Präteritalform, und zwar Prät. Konjuktiv ( vgl. nhd. ich möchte = ich will
)
- 20 -
Präsens
Sg. 1. willu Pl. wellemes Inf. wellen
2. wili wellet P. I wellenti
3. wili wellent Prät. wolta ( welta )
Im Mhd und im Nhd. vollzieht sich die Angleichung dieses Verbs an die
Präteritoprasentia.
Alle unregelmäßigen Verben bewahren ihren eigenartigen Formenbestand auch
in der deutschen Gegenwartssprache. Seit der mhd. Zeit schließen sich ihnen
auch die Verben haben und werden und bringen an.
5. haben. Im Ahd. war es ein schwaches Verb der III Klasse, also ein
regelmäßiges Verb. Im Mhd. entwickelten sich im Präsens und Präteritum
kurze zusammengezogene Formen - haben > hân, habêst > hast, habêt > hat,
habêta > hatte.
Deshalb zählt man es zu den unregelmäßigen Verben.
6. werden . Im Ahd. war es ein starkes Verb der III. Ablautreihe : ahd.
werden - ward - wurtum - wortan ( d - t ).
Im Mhd. entstand infolge des Ausgleichs der Präteritalformen des Sg. und
des Pl. die Form wurde mit - e im Auslaut, was für die 1. ,3. P.Sg. des
starken Präterits nicht typisch ist. Außerdem vollzog sich der Ausgleich
der Präeritalformen der Verben dieser Ablautreihe nach der Singularform (
vgl. ahd. helfan - half - hulfum > mhd. half; werfan - warf - wurfum > mhd.
warf ) , nur das Verb weden erhielt die Form mit dem Pluralstamm : wurtum -
wurde.
Auch im Präsens hat es seit der mhd. Zeit kurze zusammengezogene Formen :
ahd. wirdes (t) - nhd. wird.
7. bringen. Dieses Verb wird zu den unregelmäßigen Verben gezählt, weil
seine Präteritalformen mit dem Ablaut des Stammvokals wie bei den starken
Verben und mit dem Dentalsuffix - t - wie bei den schwachen Verben gebildet
sind : ahd. bringen - brachta - gebracht.
II. Das Substantiv.
1. Die Kategorien des Substantivs im Ahd., Mhd., Nhd.
2. Die Entwicklung des Deklinationssystems.
3. Der Artikel und die Kategorien der Bestimmtheit - der Unbestimmtheit.
1. Das Substantiv bewahrt im Ahd. die grammatischen Kategorien des Genus (
3 Geschlechten ), des Numerus ( Singular, Plural ) und des Kasus, die das
Urgermanische besaß und es seinerseits aus dem Indoeuropäischen übernommen
hatte. Auch der Flexionstyp der Substantive blieb im wesentlichen noch der
alte.
2. Man bestimmt die Deklinationstypen der Substantive im Ahd. nach den
stammbildenden Suffixen, da die alten Kasusendungen in vielen Fällen
geschwunden sind :
I. Vokalische Stämme :
a - Deklination ( m. tag, kuning, n. wort, houbit u.a. )- N.A. - taga
ja - Deklination ( m. hirti, n. kunni " Geschlecht"...)
wa - Deklination ( m. snêo, n. kniu " Knie "... )
i - Deklination ( m. gast. scrit "Schrift ", f. kraft, fart... )
II. Konsonantische Stämme
n - Deklination ( m. namo, garto "Garten " , boto, herza, ouga ora " Ohr ",
zunga, sunna, wituwa ...)
nt - Deklination ( m. friunt, fiant " Feind " )
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r - Deklination ( m. bruoder, fater, f. muoter , tohter ... )
ir - Deklination ( n. lamb - lembir , kalb, huon, blat ... )
Im Ahd. und Mhd. vollzieht sich der Wandel der Deklinationsystems.
Entscheidend dafür war die Abschwächung der unbetonten Vokale in den
stammbildenden Suffixen, die zu Kasusendungen wurden. Unterschiedliche
Endungen a, o, i, u wurden zu - e abgeschwächt und im Mhd. verteilt man die
Substantive in zwei Deklinationstypen - starke und schwache Deklination -
nach dem grammatischen Geschlecht. Die vokalischen Stämme bilden die starke
Deklination mit dem Merkmal - der Genitivendung - s im Sg., die
konsonantischen n- Stämme liegen zugrunde der schwachen Deklination. Die
übrigen konsonantischen Stämme schlossen sich der starken Deklination an.
Im Fnhd. entwickelte sich die Deklination der Feminina mit der Nullendung
im Sg. Infolge der Abschwächung der unbetonten Vokale reduzierte sich die Zahl
der Kasusendungen von 43 auf 9 im Mhd. und auf 4 im Nhd.
3. Die Entwicklung des Artikels beginnt im Ahd. Zuerst entwickelt sich der
bestimmte Artikel ther, thiu, tha3 , dem ein Demonstartivpronomen zugrunde
liegt. Der bestimmte Artikel ist im Ahd. noch im Werden. Er wird nur mit
konkreten Substantiven gebraucht, um einen einzelnen Gegenstand zu
bezeichnen : z. B. : Sliumo bringet tha3 erira giuuti. Bringt schneller das beste Gewand. Im Ahd. kommen bereits vereinzelte Formen des unbestimmten Artikels vor :
"Einen kuning wue3 ich, hei3it her Hludwig. Doch der regelmäßige Gebrauch des unbestimmten Artikels entwickelt sich
erst in der mhd. Zeit. Vgl. im " Nibelungenlied " : Es wuochs in Burggonden ein viel edel magadin ... sie wart ein schoene wip. ( Es wuchs in Burgund eine edle Jungfrau, ...
sie wurde zu einer schönen Frau .)
Auf diese Weise entsteht seit Beginn der mhd. Zeit die Opposition
zwischen dem Substantiv mit dem bestimmten Artikel und dem Substantiv mit
dem unbestimmten Artikel, die die grammatische Kategorie der Bestimmtheit /
Unbestimmtheit zu einer vollentwickelten Kategorie prägt.
THEMA X .
Die Syntax der deutschen Sprache aus diachronischer Sicht.
1. Der einfache Satz.
2. Der zusammengesetzte Satz.
3. Die Negation.
1. Schon im Ahd. war die vorherrschende Satzform der zweigliedrige Satz mit
einer Subjekt - Prädikat - Struktur. z. B. : Sum man habeta zuuene suni.
Ein Mann hatte 2 Söhne. Wie in allen flektierenden Sprachen war die Wortstellung im Satz frei.
Das Prädikat konnte im Ahd. im Aussagesatz sowohl an der zweiten Stelle als
auch am Satzanfang und im Satzschluß stehen : z. B. Araugta sich imo gotes engil." ( Es ) erschien ihm ein Engel
Gottes. "
Alla thesa naht arbeitende niuuih ni gifiengumes.
" Die ganze Nacht haben wir gearbeitet und nichts gefangen ". Es lassen sich bereits im Ahd einige neue Tendenzen in der Satzgestaltung
verfolgen,
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die in der Folgezeit die Eigenart des deutschen Satzbaus prägten. 1) Die Tendenz zur Verbreitung der zweigliedrigen Satzstruktur auf den
unpersönlichen und unbestimmten-persönlichen Satz ( mit den Pronomen es und
man ). 2) Die Tendenz zur Entwicklung der Elemente der festen Wortstellung im
Satz , vor allem zur Bindung der Stelle des Prädikats und zur Entwicklung
der Umklammerung.
Diese Erscheinungen bestimmten weitgehend die Eigenart der Satzgestaltung
in der deutschen Gegenwartssprache.
2. Schon die ersten ahd. Sprachdekmäler enthalten verschiedene Typen
komplexer ( zusammengesetzter ) Sätze. Aber ihre Zahl ist gering im
Vergleich zu der deutschen Gegenwartssprache. Sie entwickelten sich später,
in der Folgezeit. Die Satzverbindung hat im Ahd ebenso wie in der Gegenwartssprache zwei
Hauptmodelle : konjuktionslose und konjuktionale Satzverbindung :
1) Einan kuning wei3 ih, hei3t her Hludwig.
2) Thanan tho Zacharias uuard gitruobit tha3 sehenti, inti fortha anafiel
ubar inan. " Zacharias war verwirrt, das sehend, und Furcht überfiel ihn ".
Die gebräuchlichsten Konjuktionen waren inti, ioh = " ich ", ouh = "auch ",
doh = "doch " abur = "aber", odo = "oder". Aber es gab noch keine kausalen
und finalen Konjuktionalwörter wie denn, folglich, daher, darum,
infolgedessen u.a.
Das Satzgefüge.
Das Ahd. besitzt Gliedsätze für alle Satzglieder, d.h. Subjekt, -Objekt-,
Prädikativ-, Adverbial- und Attributsätze. Die Endstellung des Prädikats im
Gliedsatz, was die Gegenwartssprache prägt, gilt im Ahd. noch nicht als
Regel. Doch kam sie in den Gliedsätzen schon häufig vor :
Thu weist,tha3 ih thih minnon.
" Du weißt , daß ich dich liebe. "
Da die Endstellung des Prädikats nur in Gliedsätzen vorkommt, wird sie
allmählich zum Prägemittel des Gliedsatzes. Im Mhd. gab es wenige Neuerungen in der Entwicklung des Satzbaus. Nur die
Anfansstellung des Prädikats im Aussagesatz war aus dem Gebrauch gekommen. Die Herausbildung verschiedener literarischer Gattungen sowie der
gelehrten Prosa und der Kanzlei - und Geschäftsprosa in der
frühneuhochdeutschen Zeit, die politische und religiöse Literatur der
Reformationszeit Luthers, die Bemühungen der Humanisten um die deutsche
Sprache förderten die weitere Entwicklung der syntaktischen Struktur der
deutschen Sprache. Es kamen neue Konjuktionen auf, es entstanden neue
Modelle komplexer Sätze .
Bereits im XII-XIV Jh. wurde die Voranstellung von Adjektivien,
Partizipien und Pronomen in den attributiven Wortgruppen vorherrschend. Die Tendenz zur festen Stellung des Prädikats wurde erst im Ahd. zur
Regel. Auch die verbalen Klammer entwickelte sich bis in die nhd. Zeit.
Über den Übergang von der doppelten Negation zur Gesamtnegation siehe
bei Moskalskaja ( 112. Seite 228 )
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Thema XI
Der Wortschatz der deutschen Gegenwartssprache in sprachgeschichtlicher Beleuchtung. Die althochdeutschen Sprachdenkmäler zeugen davon, daß die deutsche
Sprache schon in jener Zeit einen reichen Wortschatz besaß . Neben den
Wörtern aus dem Bereich des alltäglichen Verkehrs besaß das Ahd. einen
reichen Schatz von Wörtern aus dem Bereich des Geisteslebens, der Dichtung,
der Viehzucht und des Ackerbaus, des Bau-, Rechts - und Heereswesens. In
den ahd. Sprachdenkmälern kommt das ständige Wachstum des Wortschatzes im
Zusammenhang mit der Entwicklung der feudalen Kultur, der klerikalen
Bildung, des Staats-und Rechtswesens, mit der Übertragung zahlreicher
lateinischer theologischer und philosophischer Schriften in die deutsche
Sprache und der Schaffung der dazu notwendigen Terminologie zum Ausdruck. Der deutsche Wortschatz bereicherte sich einerseits durch zahlreiche
Entlehnungen, andererseits durch Wortbildung. Die meisten Entlehnungen der
vor - und ahd. Zeit sind aus der lateinischer Sprache z. B. :
lat. secula - ahd. sihhila "Sichel "'lat. vinum - ahd wîn "Wein ";
lat. pirum - ahd. bira "Birne ", lat. persica - ahd. pfersich "Pfirsich '
lat. via strata" Heeresstraße " - ahd. stra33a "Straße ".
Aus dem Latein sind auch die Monatsbezeichnungen entlehnt. Durch
Lehnübersetzungen entstanden die Namen der Wochentage ( die Siebentagewoche
wurde von den Germanen im III -V Jh. unter griechischen und römischen
Einfluß eingeführt ) : lat. Martium - ahd. marzeo, merzo " März ", lat.
Maius - ahd. meio " Mai ", lat. Augustus - ahd. augusto " August ", lat.
dies Solis - ahd. sunnûntag " Sonntag ", lat. dies Lunac - ahd. manatag "
Montag ".
Aus dem Bereich des Kirchenlebens stammen die Wörter lat. claustrum -
ahd. klôstar " Klostar ", lat. templum - ahd. tempal " Tempel ", lat.
monachus - ahd. munich " Mönch ", lat. crucem - ahd. krûzi " Kreuz ".
In der Wortbildung spielen sowohl die Ableitung als auch die
Zusammensetzung eine große Rolle. Die Ableitung der Substantive mit Hilfe
von Ableitungssuffixen :
ahd. trag - an - treg - ir " Träger " , ahd. hôh - hôhî " Höhe " , rein -
reinida " Reinheit " , ahd. kunni " Geschlecht "- kun ing " König " , ahd.
friunt " Freund " - friunt -in "Freundin " .
Ein beliebtes Wortbildungsmittel ist in allen altgermanischen Sprachen
auch die Zusammensetzung, z.B. erd - biba " Erdbeben ", beta - hûs "Bethaus
", " Kirche " , gast - hûs " Gasthaus " , mitti - tag " Mitttag " , himil -
richi " Himmelreich " .
In der mhd. Zeit bereichert sich der Wortschatz nicht nur durch
Entlehnungen aus anderen Sprachen, in erster Linie aus dem Französischen,
sondern auch durch Bedeutungsentwicklung der terminologischen Lexik und der
Berufslexik, z.B. afr. tornei - ahd. turnei " Turnier " , aventure "
Abenteuer " .
Viele Wörter ändern ihre Bedeutung z.B. ahd. wîp, nhd " Weib " - es war
im Ahd. eine Geschlechtsbezeichnung ( " æåíùèíà " ).
Große Bedeutung für die Entwicklung der abstrakten Lexik hatten die
philosophischen Schriften der Mystiker im XII-XIV Jh. In dieser Zeit
entstanden die Wörter begreifen, Eigenschaft, Eindruck, Einfluß, Zufall,
einsehen, bildlich...
Mit der Entwicklung der Geschäftssprache beginnt die Entwicklung der
terminologischen Lexik und der Berufslexik, z.B. urkunde, brief " Dokument
", rat " Rat ", burger " Bürger ", rihten, urteilen " richten " , arzat "
Arzt " , antwerker " Handwerker " , beker " Bäcker " , gartner " Gärtner "
, goldschmiede " Goldschmied "
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Die frühneuhochdeutsche Zeit brachte die Entwicklung von Handel und
Industrie, die stürmische Reformation und die politischen Kämpfe des
Bauernkrieges, die Ausbreitung der deutschen Sprache auf immer neue Sphären
des gesellschaftlichen Lebens, der Wissenschaft und Kunst. Das alles rief
bedeutende Wandlungen im Wortschatz der werdenden deutschen
Literatursprache hervor.
Wie in den vorausgegangenen Epochen schwand ein Teil des alten
Wortschatzes, z.B. ahd. mihhil, mhd. michel und ahd. luzzil, mhd. lützel
wurden durch " groß " und " klein " ersetzt. Das mhd. Wort arebit " Mühsal
", " Kampf " ändert seine Bedeutung : nhd. Arbeit; mhd. " Weisheit " , "
Klugheit, Wissenschaft ", " Kunst " - nhd. List . ( Siehe bei Moskalskaja ,
S. 207-210 ).